Donnerstag, 27. Dezember 2012

Thomas Wolfe: Die Party bei den Jacks


Die Party bei den Jacks war genauso, wie ich es erwartet hatte: Tolles Ambiente, außergewöhnlich gutes und vieles Essen, Getränke im Überfluß und es war alles an Leuten da, was Rang und Namen hatte.  Das überraschende Ende allerdings, hätte ich beinahe verpaßt, denn solche Partys und Gesellschaften kenne ich zu genüge und meistens langweilen sie mich. Gelegentlich ödet es sogar an.  Und ich vermute mal, Thomas Wolfe hat es auch gelegentlich angeödet, denn sonst hätte er nicht so geschrieben, wie er geschrieben hat.

Was mich veranlaßte, dieses Buch zu lesen, war zum Einen der  noch immer recht wohlklingende Name des Manesse Verlages und zum Anderen die Lobeshymnen, die der Klappentext über diesen Roman und Autor sang.  Natürlich war es nicht so, daß ich meine Zeit damit vergeudet hätte, aber ganz so, wie Klappentext und die zitierten Literaturkritiker es verkündeten, war es für mich dann doch nicht. Andererseits gebe ich zu, daß ich mich schon überwiegend amüsiert habe.

Thomas Wolfe hat viel geschrieben und unglaublich viel hat er nachgelassen. Wenn ich das richtig erinnere, hat er allerdings nur einen einzigen Roman zu Lebzeiten selbst veröffentlicht, der ihn dann berühmt gemacht hat. Über The Party at Jack’s hat er selbst an seine Agentin geschrieben: „Es ist noch eine große Menge zu überarbeiten, aber ich denke, es läßt sich schon absehen, was daraus werden könnte, wenn es einmal fertig ist.“ Genau das ist es: noch nicht fertig! Und er starb, bevor er diesen Roman fertiggestellt hat.  Im Klappentext und bei den Literaturkritikern hört sich das aber anders an und der Anschein entsteht, das nachgelassene  Manuskript und jetzt erstmalig auf Deutsch veröffentlichte Werk, sei so gut wie fertig. Pustekuchen! Es sind zum Teil schmerzhafte Redundanzen drin, die im Nachwort des Buches als Stilmittel verkauft werden. Es gibt Schnitte, die bei mir als Leser Fragen offen lassen.  Ja, es wäre noch viel Arbeit notwendig gewesen. Ein Fragment zu lesen um in die Denke und Arbeit eines Schriftstellers einzusteigen und diese nachvollziehen zu können hat aber auch einen gewissen Reiz. Allerdings war  Thomas Wolfe keineswegs „der überragende Autor seiner Generation“, wie William Faulkner im Klappentext zitiert wird.  Im Nachwort klingt es dann auch schon etwas anders, wenn dort William Faulkner zitiert wird: „Er mag von uns allen am meisten Talent gehabt haben, er hätte der größte amerikanische Schriftsteller gewesen sein können, wenn er bloß länger gelebt hätte....“

Zunächst geht es in die Schulzeit von Frederik Jack, im kaiserlichen Deutschland, in einem wildromantischen Städtchen, so was  wie Lindau oder Rothenburg o.T. kam mir da in den Sinn. Dann kehrt er dort hin zurück, mit 54 Jahren, die Taschen voller Geld und ist versucht, denen eine Nase zu zeigen, die ihn früher gehänselt, verhöhnt und verprügelt haben. Solche Träume kennt man ja.  Er trifft seine Familie und Verwandten wieder, die in ihm immer noch den kleinen Jungen sehen.  Auf der nächsten Seite steht er dann in seinem pompösen und geräumigem Badezimmer. Ganz klar, der Mann liebt geräumige Räume, überdimensionierte Räume. Die tauchen immer wieder auf. Würden mir auch gefallen.  Frederick Jack verliert sich an dem Tag der Party in Betrachtungen über sein Leben, über sein Alter, über die Juden, über die Deutschen, über die Politik, über die Wirtschaft, über, über, über.....  Dann taucht Esther auf und die verliert sich mehrmals in  Betrachtungen über ihre Hände. Esther ist seine Frau.  Also die mit diesen Händen.  Aber es ist nicht so, als würde Esther nur über ihre Hände nachdenken und diese betrachten, auch wenn sie es mehrmals  tut.  Quasi über ihre Hände hinweg, die sie ja immer wieder betrachtet, blickt sie ihr Personal an. Nicht nur das es stinkt, nein, es klaut. Alle Angestellten klauen. Das amüsiert übrigens Frederick.  Ach ja, was vielleicht noch wichtig wäre, jetzt handelt der „Roman“, der in meinen Augen nur ein Fragment ist, zwei Jahre vor dem großen Börsenzusammenbruch, Ende der 1920er Jahre.

In Fahrt kommt das Ganze natürlich schon, so wie es sich gehört. Nicht das es hektisch würde oder so; man hat Übung mit solchen Partys, die zu den glanzvollsten New Yorks gehören.  Und glanzvoll und furios wird es natürlich wenn die illustren Gäste eintreffen, auch wenn man gelegentlich noch Zeit hat, seine Hände zu betrachten. (Aber lassen wir jetzt mal die Redundanzen weg). Es wird jetzt genauso so, wie man sich das eben vorstellt in den ganzvollen 1920er Jahren, wenn die Upper Class  in New York in überdimensionierten Räumen eine glamouröse Party feiert. Und wer dann alles unter den Gästen ist! Selbst der Liebhaber von Mrs Jack ist da.... und das Ende möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.

Ich sagte schon, es war keine verlorene Zeit, dieses Buch zu lesen. Und sicher werde ich irgendwann mal das Buch von Thomas Wolfe lesen, welches er selbst noch veröffentlich hat und seinen Ruhm begründete. Empfehlen? Ich kenne nur ein einen Menschen, dem ich es empfehlen könnte, der ist Professor für Amerikanistik an einer Uni, wobei ich sicher bin, daß der es schon gelesen hat, alleine von „Berufswegen“.  Alle anderen müssen selbst entscheiden, ob sie Interesse haben, Mäuschen zu sein, in den zwanziger Jahren in New York, auf einer Party bei den Jacks.


Thomas Wolfe: Die Party bei den Jacks

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Susanne Höbel
Nachwort von Kurt Darsow
© 2011 für die deutsche Ausgabe by Manesse Verlag, Zürich
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München