Was ist Wahrheit? – Okay, bei diesem Buch genauer gefragt:
Was ist die Wahrheit? Natürlich weiß das auch Johannes Zeilinger nicht, der
dieses Buch geschrieben hat, dem er eine mögliche Antwort von Karl Kraus zu
diesem Thema angefügt hat. Und diese Antwort von Karl Kraus auf die Frage, wer
den nun den Nordpol entdeckt hat ist: Die Dummheit! (Karl Kraus, Die Fackel,
Nr. 287, XI Jahr, 16. September 1909)
Jedenfalls sind 1909 zwei Amerikaner, zwei Kontrahenten
irgendwo im nordischen Eis gewesen. 2009, Hundert Jahre später, veröffentlicht
Johannes Zeilinger, Jahrgang 1948, seines Zeichens Mediziner, Chirurg (Woher
nimmt der die Zeit, ein so spannendes und unterhaltendes Buch zu schreiben?) ein
Buch über die Eroberung des Nordpols!
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches war er
Vorsitzender der Karl May-Gesellschaft, Ausstellungskurator und bereits
Verfasser mehrerer Bücher und Beiträge zur Karl May-Forschung und der
Geschichte Zyperns, sowie einer Biographie der Schauspielerin Lya de Putti,
Ich persönlich frage mich ja bei jedem Buch, ob mich der
Autor verscheißern will und wenn ich das recht in Erinnerung habe, so war Karl
May diesbezüglich nicht ganz ohne. Was ich aber glaube ist, daß Zeilinger bei
der Recherche ausgesprochen gewissenhaft vorgegangen ist, mit größtem
Sachverstand und Wissen schildert, was vor einhundert Jahren da so abging. Was
er zu schreiben wußte, ging runter wie Öl bei mir, obwohl mir der Nordpol bislang
scheißegal war. Er ist mir immer noch
egal, aber nun weiß ich vielleicht so in etwa, wie das damals gewesen sein
könnte.
Sollte Zeilinger den Eindruck vermitteln, Frederick Cook war
der erste Mann am Nordpol, bedenke man gewisse Sympathien, die Zeilinger für Cook
hegen dürfte, so von Kollege zu Kollege. Frederick Cook, einer der amerikanischen Polarforscher, der
behauptet 1909 den Nordpol erreicht zu haben, war ebenfalls Mediziner. Und bei
weitem der Nettere. Robert Peary, ein Ingenieur in der amerikanischen Armee,
alles andere als ein Scharmbolzen, erreichte auch 1909, im Alter von 55 Jahren
und mit nur zwei Zehen, die restlichen acht hatte er schon Jahre vorher
irgendwo im Eis verloren, nach eigenen Angaben den Nordpol, wozu dann Karl
Kraus, ebenfalls 1909, seine Glosse in seiner Zeitschrift schrieb.
Ach ja: Beide haben keine Beweise! Und die Kontroverse
besteht bis heute und dürfte wohl niemals geklärt werden können. Insofern ist
das was Zeilinger mit diesem Buch über die Hintergründe, die Persönlichkeiten
und der damalige Zeitgeist das eigentliche Faszinosum. (War jetzt eigentlich wirklich schon jemand
auf dem Mond? Irgendwie haben die Amerikaner ja scheinbar Erfahrung mit Stoff,
für Verschwörungstheorien?)
„Die Worte Wissenschaft und Forschung, einst noble Motive
für die Welterkundung, waren dabei längst vergessen, und auch der Tarnmantel
einer patriotischen Tat verbarg nur unzureichend den wahren Kern des Kampfes um
den Nordpol, den grenzenlosen Ehrgeiz, die unstillbare Sucht nach persönlichem Ruhm und Erfolg, die
unstillbare Sucht nach persönlichem Ruhm und Erfolg.“ (Seite 57)
Johannes Zeilinger: Auf brüchigem Eis
© 2009 MSB Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft mbH
(Für die Pingeligen unter den Leseratten: Die erste Auflage bietet
jede Menge Druck- und Satzfehler!)