Sonntag, 9. Dezember 2012

Die weissen Götter


Der kleine Textauszug:

Die dritte Schlacht gegen Cortes – die Entscheidungsschlacht – hatte Prinz Kriegsmaske verloren, weil er Kreideschmetterling gewonnen, weil er, von rasender Eifersucht verleitet, während des Kampfes das Zelt seines Mitfeldherrn Piltecatl umstellen und Kreideschmetterling daraus rauben ließ, worauf Piltecatl mit vierzigtausend Kriegern sich grollend vom Kampffeld zurückzog. So benommen war Prinz Kriegsmaske von der zauberhaften Knäbin, daß ihm ihr Besitz all sein Mißgeschick aufwog. In seinem Palast hielt er sie eingeschlossen, umriegelt, umzirkt, als das Einmalige, das sie war. Ihr früheres Vergehen war ihr verziehen; der Todesstrafe durch den geglückten Todeslauf entronnen, war sie ja unantastbar. Ein Verliebter, dachte er auch nicht an Vergeltung. Wieder behängte er sie mit Juwelen, gab ihr Fächerträgerinnen, Sandalenbinderinnen, Haarkämmerinnen, Girlandenflechterinnen und schenkte ihr einen überaus kostbaren Handspiegel aus schwarzem Obsidian, damit sie an ihrer einzigartigen Schönheit Freude habe. Fünf alte Frauen aber hatten Auftrag, das Zwitterwesen nie aus den Augen zu lassen. Nur in wenigen, von Fontänen gekühlten Räumen und nur in einem kleinen Teil des Gartens war Kreideschmetterling zu lustwandeln gestattet.

Eduard Stucken: Die weißen Götter
1931