Samstag, 23. Juni 2012

Robert Haasnoot: Der Erinnerer


Ich liebe handliche Romane, die ich an ein oder zwei Tagen lesen kann: Ein Tag, ein Buch! Die ersten fünfzig Seiten am Vorabend vor dem Einschlafen wie eine verheißungsvolle Einstimmung und am nächsten Tag, voller Neugierde und Erwartung, in Abgeschiedenheit und Ruhe zu Ende lesen. „Der Erinnerer“ hat 207 Seiten.... und wenn es gut war, klingt es noch eine Zeitlang in mir nach.

Die Möglichkeit, daß ein kleines, pieseliges holländisches Dorf , den Stoff für eine erzählenswerte Geschichte hergeben könnte hat mich überrascht und schnell merkte ich, daß ich mich auskannte in dieser Gegend, auch wenn mir der Ort Zeewijk nichts sagte und die Geschichte um 1900 handelte. In diesem Dorf lassen sich ungewöhnlich aggressive Raaben im Kirchturm nieder, ein Traum von einem heiligen Ort in den Dünen wird von den meisten Dorfbewohnern geträumt und eine Kaninchenseuche bricht aus und dies alles macht die Runde unter den strenggläubigen Bewohnern des Küstendorfes und treib eigentümliche Blüten des Aberglaubens. Der Erinnerer ist der Chronist des Dorfes, der die Aufgabe hat, alles aufzuschreiben, wie seine Vorfahren vor ihm, auch wenn sich für diese Chroniken und Annalen nicht mal mehr die Gemeindeverwaltung in Den Haag interessiert, oder die Familie des Barons, die über Jahrhunderte hinweg, die Erinnerer bezahlt hatte. Und dennoch tut dieser Erinnerer nichts anderes, als alles aufzuschreiben und das Ganze liest sich dann wie ein fesselndes Märchen. Unheimlich und gruselig fühlt es sich zunächst an bis dann die Protagonisten immer deutlicher und menschlicher werden.

Fasziniert hat mich Haasnoots Schreibstil! Noch ein Vorurteil, welches ich ablegen mußte, denn mir fiel auf Anhieb kein bedeutender holländischer Schriftsteller ein. Dieser Roman „klingt“ wie das sanfte Meeresrauschen an der Küste und gelegentlich nimmt die „Brandung“ zu.

.... und es klingt immer noch nach in mir!


Robert Haasnoot:
Der Erinnerer

2005 Robert Haasnoot
für die deutsche Ausgabe 2008 Berlin Verlag GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Nina Rothfos und Patrik Gabler, Hamburg unter Verwendung einer Fotographie von James Nelson/Getty Images