Es gibt Bücher,
für die ich zuweilen ein Wort finde.
Für Laura Acobas Roman „Das Kaninchenhaus“, 2010 im Insel Verlag
erschienen, habe ich auch ein Wort: Dürftig!
Nun habe ich keine
Ahnung von Argentinien, der Militärherrschaft, dem Widerstand. An Madonna
erinnere ich mich. Die hat aber nur Evita gespielt und gesungen. Wer Isabel
Peron dann genau war, weiß ich auch nicht so recht. Also mein Hintergrund ist
ebenfalls dürftig zu nennen und so mag es vielleicht nicht verwundern, daß ich
dachte, es könnte interessant sein, diesen Roman über diese Zeit zu lesen. Die Ausbeute in dieser Hinsicht ist aber
„dürftig“. Wenn ich es aus diesem
Roman richtig behalten habe, war Isabel Peron irgendwie durchgeknallt und litt
darunter nicht Madonna, ich meine, nicht so wie Evita gewesen zu sein und war
schwach und dann gab es drei Militärs,
drei Generale, die irgendwann putschten. Und dann wurden viele, viele Menschen
verhaftet und getötet, wie es zwar zwei oder drei mal so erwähnt wird, was mir
recht dürftig scheint.
Jedenfalls waren die Eltern dieses sieben
Jahre alten Mädchens im Widerstand. Der Vater im Gefängnis, die Mutter dann
irgendwo untergetaucht in einem Haus, in dessen Hof in einem Nebengebäude eine geheime Druckerei errichtet wurde und
zur Tarnung züchtete man dort Kaninchen. Die Icherzählerin, also das sieben
Jahre alte Mädchen, pendelte zwischen den Großeltern und der Mutter hin und
her. Man erfährt schon einiges über
diese Icherzählerin, aber bei mir war das Gefühl von dürftig
allgegenwärtig, wenn ich über diese Figur nachdenke. Vater, Mutter, die Großeltern und die übrigen Protagonisten....
tja, irgendwie auch dürftig.
Nun hat dieser
Roman gerade mal 118 Seiten, was vielleicht der Grund dafür wäre, warum mein
Gefühl der Dürftigkeit vorherrschend ist.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang mal an Kressmann Taylors „Adressat
unbekannt“ mit nur 61 Seiten, die zum Teil nur halb bedruckt sind, aber von
einer ungeheuren Dichte sind und unter meine Haut gingen, vieles über die
Personen und die politischen Verhältnisse aussagten und über menschliches, bzw.
unmenschliches Verhalten. Also die Zahl
der Seiten ist kein Maß für die
Rezeption.
„Ich habe das
Gefühl, sie hat mich nicht richtig verstanden. Das mit dem roten Dach war so
dahingesagt. Es hätte auch grün sein können. Warum es mir ging, war das Leben
darin. Eltern, die abends zum Essen nach Hause kommen. Eltern, die sonntags
Kuchen backen, nach Rezepten aus dicken Kochbüchern mit vielen Fotos auf
Hochglanzpapier. Eine hübsche Mama mit langen, lackierten Fingernägeln und
hochhackigen Schuhen. Oder mit braunen Stiefeln und farblich abgestimmter
Handtasche. Oder ohne Stiefel, dafür aber in einem blauen Mantel mit Rundkragen.
Grau konnte er auch sein. Letztlich ging es nicht um die Farbe, weder beim Dach
noch bei den Stiefeln, noch beim Mantel. Ich frage mich, wie wir so aneinander
vorbeireden konnten oder ob sie nur vorgab zu denken, bei meinem Traum drehe es
sich einzig um einen Garten und etwas Rotes.“ (Zitat Seite 11)
Während ich diese
im Buch markierte Textstelle herunterschreibe, frage ich wieder einmal, ob
dieser „Roman“ wirklich ein Roman ist, es sich dabei tatsächlich um einen „literarisch zu wertenden“ Text handelt.
Tue ich das, taucht wieder „dürftig“ in mir auf. Betrachte ich die Eckdaten der Autorin, drängt sich mir zusätzlich der Schluß
auf, hier wird selbst erlebtes und erfahrenes verarbeitet, was in der Literatur
ja oft vorkommt, allerdings selten so dürftig, wie es mir in diesem Fall erscheint.
Laura Alcoba: Das
Kaninchenhaus
Aus dem
Französischen von Angelica Ammar
© der deutschen
Ausgabe Insel Verlag Berlin 2010
Umschlaggestaltung;
Hermann Michels und Regina Göllner
Umschlagfoto:
Silvia Alcoba