Montag, 25. März 2013

Sibylle Berg: Der Mann schläft


Die Frau in diesem Roman schreibt Gebrauchsanweisungen. Davon kann die alte Frau ganz gut und bequem leben und muß nicht so wie die übrigen Sklaven jeden Tag ins Büro.

Die Frau, die irgendwann vor ihren Wechseljahren, mal irgendwie ganz gut ausgesehen hat, bekommt inzwischen keine jungen Männer mehr ab. Die Frau ist nicht sehr reich genug und förderliche Beziehungen und Verbindungen, durch man eben einen jungen Kerl ins Bett kriegen würde, hat die Frau auch nicht. 

Die Frau hat auch so gut wie keine Freunde mehr und eine letzte Bekannte hackt sich die Hand ab, nachdem die Frau ihr gesagt hat, wie oberflächlich und verlogen und nervig diese Bekanntschaft sei. Und natürlich will die Frau auch keine Freundschaften und Bekanntschaften mehr, die sind genauso blöd, wie die Sklaven in Büros. 

Was die Frau hat, sind jede Menge Erkenntnisse und Gedanken zu allem was man so hört und mitbekommt und denken könnte: Mülltrennung, Freundschaft, idiotische Esoteriker (nein, das schreibt sie nicht wortwörtlich), Äpfel, Homoehe, Sekten wie die katholische Kirche, Tsunamis, was sie mag und was sie nicht mag, die Lügen in den Medien, Gott ist böse und und und.

Inzwischen fragt man sich, wieso der Titel dieses Romans, „Der Mann schläft“ ist?

Ganz einfach. Die alte Frau, die mir recht überspannt, melancholisch und merkwürdig erscheint, die sich zu jedem Furz Gedanken macht und etwas sagt, diese Frau findet dann einen 110 kg schweren Mann, auf dessen Bauch sie sich gerne legt, oder unter dessen Hemd sie gerne kriecht und mit dem ist sie dann vier Jahre zusammen.

Okay, der Mann schläft nicht immer, spricht aber wenig, immerhin trägt er die Frau und erträgt sie. Er tritt also eher nur am Rande auf, ich glaube es gibt nicht eine wörtliche Rede von ihm, allerdings ißt der Mann auch und sitzt mit ihr in Cafes, oder in Mailand. Über den Zwerg, auf einer Tessiner Insel, oder den Masseur auf einer Insel vor Hongkong im Südchinesischen Meer, erfährt man aber mehr, als über den Mann der schläft, den sie am Anfang nur mag und am Ende des Buches liebt, obwohl er da schon abgetaucht und nicht mehr zu finden ist.

Er wollte was vom Chinesen holen (Jungs und Mädels, ihr kennt die Zigaretten-holen-gehen-nicht-zurück-kommen-nummer, wobei ich persönlich ja glaube, daß die Meisten wissen, warum der oder die nicht wiederkommen und daß das nicht so überraschend sein kann).

Anfangs habe ich den Mann der schläft ja bewundert für seinen Langmut und wie er diese Frau auf den ersten 150 Seiten ertragen hat, die es sich in ihrer Welt so schön, aber doch unerfüllend, eingerichtet hat, daß alle anderen blöd waren, nur sie selbst nicht. 

Ich habe mich natürlich auch dabei ertappt, wie es mir gefallen hat, wenn sie so mit ihren Ansichten alles andere platt gemacht hat.

Die Frau erzählt ihre Geschichte auf zwei Erzählsträngen als Icherzählerin: Da ist Heute und da ist Damals. Das Heute spielt im Südchinesischen Meer, das Damals Zuhause. Dramaturgisch führt die Autorin diese beiden Ebenen sehr interessant zusammen. Da die Frau aber größtenteils nur von sich erzählt und ihren Ansichten, bleibt die Handlung ziemlich auf der Strecke und alles eher vordergründig als tiefgründig.  Wahrscheinlich wird die alte Frau irgendwann mal eine recht verbitterte Oma mit abgedroschenen Omaweisheiten. (Irgendwie kein Wunder).

Ich war ziemlich neugierig auf einen Roman von Sibylle Berg. Sie twittert schon seit Jahren gerne, fickt nicht und kauft nichts heißt es da, zeigt sich jetzt wohl inzwischen auch auf facebook und kommt in den Medien gut rüber, so als blickte sie einem unter die Haut.  

Es mag durchaus sein, das ich da einiges in diesem Roman nicht verstanden habe: Die Nummer mit den Prothesen z.B. Vielleicht schlafe ich ja noch. Aber ich werde den Roman nicht noch einmal lesen, obwohl er ganz gut geschrieben ist, man also keine Angst haben muß, daß man dabei einschläft.  Aber mir ist da zuwenig Handlung und zuviel Psychogramm der Ich-Erzählerin. Ein anderes Buch von Sibylle Berg, ja, das werde ich bei Gelegenheit mal versuchen, wenn ich nicht schlafen kann.



Sibylle Berg: Der Mann schläft

© Carl Hanser Verlag 2009
Schutzumschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München
Foto: © Toni Anzenberger


Freitag, 22. März 2013

Wilfried N'Sondé: Das Herz der Leopardenkinder


Leopardenkinder sind geborene Schwarzafrikaner, die ihr Land verlassen haben oder verlassen mußten und in der Fremde leben.  Unseren „Held“ hat es nach Frankreich verschlagen, nach Paris, da hat er studiert und sein Examen gemacht. 

Der gerade mal 124 Seite kurze Roman beginnt mit dem Aufwachen unseres Helden in einer Gefängniszelle.  Er ist noch nicht ganz Nüchtern, er wurde zusammengeschlagen und jetzt löchert ihn ein Kommissar mit Fragen, Fragen, Fragen.

Verlassen und Erniedrig stürzt eine Flut von Erinnerungen auf ihn ein.  „Und immer wieder werden die Stimmen der Ahnen lebendig, die von Ehre, Stolz und magischen Kräften künden.“ (Klappentext)   Da ist die Erinnerung an Mireille und seine leidenschaftliche Liebe zu ihr, die er verlassen hat um der Hoffnungslosigkeit der öden Vorstädte zu entfliehen; er erinnert sich an seinen Blutsbruder Darissa und er erinnert sich an Kamel der zu einem Fanatiker geworden war.

„Und auch später, wenn die Worte des Ahnen so laut in meiner kleinen Brust widerhallten, daß ich ins Taumeln kam: Das Wichtigste ist die Schule. Vergiss nie, daß du nicht zu Hause bist, als Fremder hast du es schwerer. Du mußt immer besser sein als der Weiße, sonst verachtet er dich!" (Seite 77)

Wenn ich einen Schwarzen oder eine Schwarze in der U-Bahn oder sonst wo sehe, in diesem Land oder einem anderen europäischen Land, dann frage ich mich immer, wie sie sich wohl fühlen mögen, was sie denken und wie es ihnen geht.  Eine mögliche Antwort lieferte mir dieser beeindruckende, unter die Haut gehende Roman.


Wilfried N’Sondé: Das Herz der Leopardenkinder

Aus dem Französischen von Brigitte Große
© Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2008
Umschlaggestaltung: Michael Keller, München


Donnerstag, 21. März 2013

2013 gelesen!


124. Michael Roes: Nah Inverness
123. Jean Echenoz: Das Puzzle des Byron Caine
122. Hans-Peter Dürr (Hrsg.): Physik und Transzendenz
121. Nicolas Fargues: Die Rolle meines Lebens
120. Patrick Modiano: Im Café der verlorenen Jugend
119. José Saramago: Das Zentrum
118. John Irving: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
117. Ernst Jandl: lechts und rinks
116. Johannes Zeilinger: Auf brüchigem Eis
115. Mark Twain: Tom Sawyers Abenteuer
114. John Brunner: Am falschen Ende der Zeit
113. Heinrich von Kleist: Michael Kohlhaas
112: Marion Gräfin Dönhoff: Kindheit in Ostpreußen
111. Michael Ondaatje: Der englische Patient
110. Marguerite Duras: Der Liebhaber
109. Raoul Schrott: Gilgamesh
108. Lutherbibel erklärt
107. Evan Currie: In die Dunkelheit
106. Günter Grass: Die Blechtrommel
 105. Robert Walser: Geschwister Tanner
104. Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit
103.  Arthur Schnitzler: Therese
102. Antoine de Saint-Exupéry
101. Franz Kafka: Der Proceß
100. Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray
99. Aldous Huxley: Das Genie und die Göttin
98. Anton Cechov: Er und sie - Frühe Erzählungen 1880 - 1885
97. Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts
96. Gert und Marlén von Kunhardt: Keine Zeit und trotzdem Fit
95.  Zahiruddin Muhammad Babur: Die Erinnerungen des ersten Großmoguls von Indien
Das Babur-nama
94. Stefan Zweig: Schachnovelle
93. Christopher Keane: Schritt für Schritt zum erfolgreichen Drehbuch
 92. Charles Dickens: Oliver Twist
91. Joseph Roth: Radetzkymarsch
90. Jürgen Habermas: Nachmetaphysisches Denken
89. Joey Goebel: Vincent
88. David Hume: Untersuchung über den menschlichen Verstand
87. Urs Widmer: Der Geliebte der Mutter
86. Aldous Huxley: Schöne neue Welt
85. Lew Tolstoi: Die Kreutzersonate
84. Christos Tsiolkas: Nur eine Ohrfeige
83. Albert Camus: Die Pest
82. Silvina Ocampo und Adolfo Bioy Casares: Der Hass der Liebenden

81. Santiago Roncagliolo: Roter April
80. Oliver Pfohlmann: Robert Musil
79. Albert Sánchez Pinol: Im Rausch der Stille
77. Phil LaMarche: American Youth
76. Jón Kalman Stefánsson: Himmel und Hölle
75. Andreas Maier: Sanssouci
74. Peter Stamm: Ungefähre Landschaft
73. C.W. Ceram: Götter Gräber und Gelehrte
72. Nakagami Kenji: Mandala der Lüste
71. Oliver Sacks: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte
70. Uwe Schultz: Immanuel Kant
69. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft
68. Nicolas Michel: Emilies letzte Reise
67. Eduard Habsburg: Lena in Waldersbach
66. Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
65. Robert A. Heinlein: Fremder in einer fremden Welt

64. Leopold von Sacher-Masoch: Venus im Pelz
63. Hiromi Kawakami: Herr Nakano und die Frauen
62. Elias Canetti: Die gerettete Zunge
61. Thomas Mann: Bekenntnisse der Hochstaplers Felux Krull
60. Elias Canetti: Die Hochzeit
59. Elfriede Jelinek: Lust
58. Uwe Neumann: Platon
57. Albert Camus: Der Fall
56. Alia Yunis: Feigen in Detroit
55. Wolfgang Herrndorf: Tschick
54. Helene M. Kastinger Riley: Hildegard von Bingen
53. Greg Bear: Äon
52. Helmuth Nürnberger: Joseph Roth
51. Gottfried Martin: Sokrates
50. Grazia Deledda: Zia Maria
49. Richard David Precht: Wer bin ich und wenn ja, wie viele?
48. Elias Canetti: Die Blendung
47. Valery Larbaud: Die Farben Roms
46. Henry Fielding: Eine Reise von dieser Welt in die nächste
45. Helmut Göbel: Elias Canetti
44. Jeffrey Eugenides: Die Selbstmord-Schwestern
43. Lily Tuck: Die Geliebte des Diktators
42. Joseph Roth:Hiob
41. Leonardo Padura: Adiós Hemingway
40. Toni Morrison: Gnade
39. Tanja Blixen: Die Rache der Engel
38. Nadine Gordimer: Niemand der mit mir geht
37. Joeseph Roth: Hotel Savoy
36. A. L. Kennedy: Das blaue Buch
35. Sibylle Berg: Der Mann schäft
34. Junot Diaz: Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao
33. Origenes: Römerbriefkommentar
32. Benedict Wells: Becks letzter Sommer
 
31. Sándor Márai: Die Nacht vor der Scheidung
30. John Burnside: Die Spur des Teufels
 29. Benjamin Lebert: Flug der Pelikane
28. Véronique Olmi: Die Promenade
27. Philip Roth: Jedermann
26. Doron Rabinovici: Andernorts
25. Matthias Politycki: Jenseitsnovelle
24. Jorgen Nordheim: Der Adjutant
23. Colm Tóibin: Porträt des Meisters in mittleren Jahren
22. Bettina Galvagni: Melancholia
21. Mikael Engström: Ihr kriegt mich nicht!
20. George Santayana: Der letzte Puritaner
19. Marcus Braun: Armor
18. Jhumpa Lahiri: Einmal im Leben
17. Robert Seethaler: Jetzt wirds Ernst
  16. Agnellus von Ravenna: Liber Pontificalis - Bischofsbuch II
15.Ash Erdogan: Die stadt mit der roten Pelerine
14. Stephan Wackwitz: Ein unsichtbares Land
13. Erving Goffman: Wir spielen alle Theater
12. Joey Goebel: Heartland
11. Notker Wolf: Worauf warten wir?
10. Norbert Gstrein: Die Winter im Süden
9. Albert Camus: Der erste Mensch
8. Marlene Streeruwitz: Kreuzungen
7. Eduard Stucken: Die weissen Götter Band 2
Detlev Jasper: Das Papstwahldekret von 1059
5. Giuseppe Ferrandino: Preicle der Schwarze
4. Rawi Hage: Als ob es kein Morgen gäbe
3. Wilfried N'Sondé: Das Herz der Leopardenkinder
2.Laura Alcoba: Das Kaninchenhaus
 1. Nadine Gordimer: Schreiben und Sein