Sieht
nach einer Elukubration aus. Das bedeutet für mich als Leser natürlich ein
Problem: Stimmt das, was Tom Segev in diesem Buch geschrieben und der Verlag
veröffentlicht hat?
Der
Siedler Verlag stellt Tom Segev als Historiker und einen der bekanntesten
Journalisten Israels vor. Gut; ich recherchiere den Autor mal nicht und
entschließe mich diese 574 Seiten zu lesen.
Der
Verlag ist um Seriosität bemüht. Scheiße, wenn man dann ein paar kleine Fehler
macht; oder habe ich das nicht richtig verstanden? Die Asche von 200.000 in Deutschland verbrannter
Juden in einem gläsernen Sarg, die Wiesental nach Israel überführt hat? Einmal
heißt es, die Asche sei aus den Konzentrationslagern, dann heißt es im
Bildteil, es seien die sterblichen Überreste von Holocaust-Überlebenden, ach
nein, ein symbolischer Akt (und überhaupt haben sich die Zeitungen schon 1949
darüber gestritten). Die Frage, wie die Zahl von 400.000 getöteten GIs in einer
Statistik zur Gesamtzahl von in Europa getöteten Zivilisten, „beinah 25 Millionen
Menschen“ zu verstehen ist, lasse ich nun auch mal außer Acht, denn mittlerweile
habe ich das halbe Buch schon durch (und wünschte ihm, dem Buch, einen sorgfältigeren
Verlag).
Simon
Wiesenthal: viel wusste ich nicht von ihm. In 14 Kapiteln breitet der Autor das
Leben und die Arbeit dieses Mannes vor mir aus und das vor einem historischen
Hintergrund und Zusammenhang. Ja, wenn das alles so stimmt, dann hätte dieser
Mann den Friedensnobelpreis verdient und es war nur ein dummer Zufall, dass er
ihn nicht erhalten hat. (Ich habe die Jahreszahl vergessen).
Der
historische Hintergrund und Zusammenhang spielt eine große Rolle in dieser
Biographie. Ich wusste nicht, dass die
meisten NS-Kriegsverbrecher alle kurz nach dem Krieg ‚irgendwo‘ schon mal in ‚irgendeiner‘
Gefangenschaft waren. Offensichtlich hat sich niemand so richtig für sie
interessiert und sie wurden wieder freigelassen, bis es dann, oft Jahrzehnte
später zu Verhandlungen und Verurteilungen kam. Aber wohl eher selten. Wenn da
die Statistik in diesem Buch stimmt, dann waren es erschreckend wenige. Das
Gewissen, regte sich wohl erst sehr spät. Auch das der Öffentlichkeit, egal
welcher Nationalität. Nicht mal Israel interessierte sich 1949 dafür und hatte andere
Probleme. In welchem Jahrzehnt bildete sich der Begriff Holocaust? Schon in den
1960er Jahren, oder doch erst in den 1970er Jahren?
Nach
547 Seiten hat sich mein Verständnis meiner eigenen Zeit gewandelt, weil ich sie
doch ein wenig aus der Sicht von Simon Wiesental glaube betrachtet zu haben,
auch wenn der Autor ihm wohl nie persönlich begegnet ist, auch wenn ich die
Arbeit des Verlages schlampig nennen würde.
Mal
sehen, vielleicht analysiere ich diese Biographie mal und interpretiere sie
dann auch, obwohl ich zu einer solchen Elukubration zu faul bin.
Tom
Segev: Simon Wiesenthal
Aus
dem Hebräischen von Markus Lemke
Erste
Auflage
©
2010 Siedler Verlag, München
Umschlaggestaltung:
Rothfos & Gabler, Hamburg,
unter
Verwendung einer
Fotographie
von © Herlinde Koelbl / Agentur Focus