Sonntag, 5. August 2012

Amélie Nothomb: Reality-Show

Wenn ich dieses Buch jetzt als Schund bezeichne, als pseudointellektuellen Schund, so ist selbst diese Einschätzung noch zu hoch gegriffen und fast scheint es mir, als sein dieses Buch tatsächlich nicht der Rede wert. Was da eine hochgelobte und preisausgezeichnete Schriftstellerin geschrieben hat, gehört für mich schlicht und ergreifend auf den Müll. Der Reihe nach.

Ein junges, hübsches Mädchen wird in einem Park bei einer Razzia aufgegriffen, wird aussortiert und landet in einem Big Brother Konzentrationslager. Es gibt die Inhaftierten, die Kapos, die die Inhaftierten mißhandeln, quälen und töten und die Organisatoren, die das alles im Fernsehen senden und die anderen schauen alle zu. Scvhon bald ist die Einschaltquote 100 % und selbst die Blinden, und auch die die keinen Fernseher haben, schauen zu.

(Zitat Seite 71)
„ Da sitzen sie vor ihrer Glotze und geilen sich an der Hölle auf, die wir durchleben. Und tun dann bestimmt noch ganz empört! Ich erwarte ja gar nicht, daß einer uns wirklich zu Hilfe eilt, aber ich würde Kopf und Kragen wetten, daß keiner von denen mal abschaltet oder auch nur das Programm wechselt.“

Den ganzen Schwachsinnsfaden erkennt man aber erst im letzten Teil, dieses gottseidank dünnen Buches. Immer wieder eingestreut scheinbar kluge Gedanken und Betrachtungen über Gott und die Welt und die Menschen.

Zitat Seite 59:
„Wo seine Abwesenheit am himmelschreiendsten ist, braucht man Gott am dringendsten. Bevor sie bei „Konzentration“ gelandet war, hatte Gott für Pannonica nicht mehr bedeutet als für die meisten Menschen: Er war eine Idee. Sie fand es interessant, sich damit zu beschäftigen, und aufregend, sich die Verzückungen vorzustellen, die aus ihr hervorgehen konnten. Besonders faszinierend erschien ihr die Liebe Gottes, viel mehr als die berühmte Frage nach seiner Existenz: Die Apologetik war ein antiquierter Unfug, der bloß albernes Zeug hervorgebracht hatte.“

Es wird an anderen Stellen noch über Niedertracht lamentiert, über das Alter, über Kinder, über Dummheit, über Liebe, über Schokolade, welche in Zeiten der Not ja durchaus Bedeutung haben kann, und in diesem Buch hält sie ja einige Mithäftlinge von Pannonica am Leben. Und natürlich geht es auch um die Medien und die Öffentlichkeit.

Doch letztlich ist das alles fadenscheinig und schlecht geschrieben. Meine Einschätzung richtet sich also nicht gegen die Story, sondern gegen den oberflächlichen und langweiligen Schreibstil. Und dann noch das plötzliche Ende!

Ja, es ist denkbar, das unsere Gesellschaft weiter degeneriert.; aber noch überwiegt das Gute in der Welt, wie Leibnitz es ausdrückte.

Und es ist auch denkbar, das diese Autorin noch mehr Preise und Auszeichnungen und begeisterte Kritiken bekommt, von denen der Verlag eine Vielzahl zitiert hat. Erschreckend, mit wie wenig die zufrieden sind. Aber die Literaturkritik ist ja bekanntlich sowieso in der Krise und findet immer weniger Beachtung.




Amèlie Nothomb: Reality-Show
Aus dem Französischen von Brigitte Große
Umschlagillustration: Francisco José de Goya, Karnevalsszene
© 2007 Diogenes Verlag AG Zürich