Das Feuilleton der
ZEIT machte vor kurzem groß mit Michael J. Sandel auf: Was ist ein gutes Leben?
Sandel „lehrt Philosophie an der Universität Harvard, er ist berühmt für seine
Vorlesung über Gerechtigkeit und seit ein paar Jahren der mediale Superstar unter
den Philosophen der Welt“, heißt es in diesem Artikel. Klar, daß ich nun neugierig geworden bin,
denn bisher ging Sandel an mir vorbei.
Nun habe ich nicht sein neuestes Buch erwischst, sondern das Einzige,
welches unsere Universitätsbibliothek Freihand hatte: Plädoyer gegen die
Perfektion, aus dem Jahre 2008. Irgendwie nicht viel Auswahl in der
Unibibliothek für einen Superstar unter den Philosophen. Um eine Ahnung davon
zu bekommen, was ein Superstar unter den Philosophen so denkt und schreibt aber
sollte es genügen.
Das Plädoyer gegen
die Perfektion, Eine Ethik im Zeitalter der genetischen Technik, beleuchtet in
fünf Kapiteln Problematiken, die sich aus der Stammzellforschung, der Eugenik,
dem Schaffen von bionischen Athleten und dem entwerfen von Kindern der entwerfenden
Eltern ergeben. Dabei stellt Sandel das
Für und Wider zunächst wertfrei gegenüber und weißt auf mögliche Wirkungen und Folgen hin. Und das macht er
für mich schlüssig, visionär und leicht verständlich. Das Plädoyer gegen die
Perfektion ist somit kein
wissenschaftliches Fachbuch. Aber ein überaus wichtiges für unser Leben.
‚Vor einigen
Jahren entschied ein Paar, daß es ein Kind haben wolle, vorzugsweise ein
taubes. Beide Partner waren taub – und stolz darauf. Wie andere in der
Gemeinschaft derer, die auf ihre Taubheit stolz sind, betrachteten Sharon
Duchesneau und Candy McCullough Taubheit als kulturelle Identität, nicht als
Behinderung, die es zu beheben galt. „Taub zu sein ist nichts weiter als eine
Lebensform“, erklärte Duchesneau. „Wir fühlen uns als taube Menschen
vollständig, und wir wollen die wunderbaren Seiten unserer tauben Gemeinschaft –
ein Gefühl der Geborgenheit und der Verbundenheit – mit Kindern teilen. Wir
sind ganz und gar davon überzeugt, daß wir als taube Menschen ein erfülltes
Leben leben.“
In der Hoffnung,
ein taubes Kind zu zeugen, wählten sie einen Samenspender, in dessen Familie
seit fünf Generationen Taubheit auftritt. Und sie waren erfolgreich. Ihr Sohn
Garvin wurde taub geboren.’ (Zitat: Seite 23)
(Eines vielleicht
noch: Die Erste Auflage strotzt geradezu vor Druckfehlern.)
Michael J. Sandel:
Plädoyer gegen die Perfektion
Aus dem
Amerikanischen von Rudolf Teuwsen
Mit einem Vorwort
von Jürgen Habermas
© der deutschen Ausgabe: Berlin University
Press 2008
Ausstattung und
Umschlag: Groothius, Lohfert, Consorten | glcons.de