Mittwoch, 14. November 2012

Michael J. Sandel: Plädoyer gegen die Perfektion


Das Feuilleton der ZEIT machte vor kurzem groß mit Michael J. Sandel auf: Was ist ein gutes Leben? Sandel „lehrt Philosophie an der Universität Harvard, er ist berühmt für seine Vorlesung über Gerechtigkeit und seit ein paar Jahren der mediale Superstar unter den Philosophen der Welt“, heißt es in diesem Artikel.  Klar, daß ich nun neugierig geworden bin, denn bisher ging Sandel an mir vorbei.  Nun habe ich nicht sein neuestes Buch erwischst, sondern das Einzige, welches unsere Universitätsbibliothek Freihand hatte: Plädoyer gegen die Perfektion, aus dem Jahre 2008. Irgendwie nicht viel Auswahl in der Unibibliothek für einen Superstar unter den Philosophen. Um eine Ahnung davon zu bekommen, was ein Superstar unter den Philosophen so denkt und schreibt aber sollte es genügen.

Das Plädoyer gegen die Perfektion, Eine Ethik im Zeitalter der genetischen Technik, beleuchtet in fünf Kapiteln Problematiken, die sich aus der Stammzellforschung, der Eugenik, dem Schaffen von bionischen Athleten und dem entwerfen von Kindern der entwerfenden Eltern ergeben.  Dabei stellt Sandel das Für und Wider zunächst wertfrei gegenüber  und weißt auf mögliche Wirkungen und Folgen hin. Und das macht er für mich schlüssig, visionär und leicht verständlich. Das Plädoyer gegen die Perfektion ist  somit kein wissenschaftliches Fachbuch. Aber ein überaus wichtiges für unser Leben.

‚Vor einigen Jahren entschied ein Paar, daß es ein Kind haben wolle, vorzugsweise ein taubes. Beide Partner waren taub – und stolz darauf. Wie andere in der Gemeinschaft derer, die auf ihre Taubheit stolz sind, betrachteten Sharon Duchesneau und Candy McCullough Taubheit als kulturelle Identität, nicht als Behinderung, die es zu beheben galt. „Taub zu sein ist nichts weiter als eine Lebensform“, erklärte Duchesneau. „Wir fühlen uns als taube Menschen vollständig, und wir wollen die wunderbaren Seiten unserer tauben Gemeinschaft – ein Gefühl der Geborgenheit und der Verbundenheit – mit Kindern teilen. Wir sind ganz und gar davon überzeugt, daß wir als taube Menschen ein erfülltes Leben leben.“
In der Hoffnung, ein taubes Kind zu zeugen, wählten sie einen Samenspender, in dessen Familie seit fünf Generationen Taubheit auftritt. Und sie waren erfolgreich. Ihr Sohn Garvin wurde taub geboren.’ (Zitat: Seite 23)

(Eines vielleicht noch: Die Erste Auflage strotzt geradezu vor Druckfehlern.)


Michael J. Sandel: Plädoyer gegen die Perfektion

Aus dem Amerikanischen von Rudolf Teuwsen
Mit einem Vorwort von Jürgen Habermas
©  der deutschen Ausgabe: Berlin University Press 2008
Ausstattung und Umschlag: Groothius, Lohfert, Consorten | glcons.de