Montag, 16. Juli 2012

Jean Echenoz: Ravel

Vor vier Jahren habe ich diesen kurzen Roman das erste mal gelesen. Jetzt lachte er mich aus dem Bücherregal wieder an und ich begann ihn noch mal mit dem größten Vergnügen zu lesen.

Ravel ist gerade auf dem Weg mit der France nach Amerika zu einer Konzertreise. Er ist 53 Jahre alt und ein alter, egozentrischer Zausel, eitel, arrogant und gelangweilt. Ein Sonderling heißt es auf dem Klappentext. Sonderling ist noch eine harmlose Untertreibung, folgt man Echenoz Darstellungen. Auf dieser Konzertreise durch die USA lernt man ihn so richtig kennen, mit all seinen Launen und Allüren, die er zweifelsohne gehabt haben wird. Ich kann wohl davon ausgehen, daß dieser Roman gut recherchiert ist.

„Während der Proben beeindruckt er die Musiker enorm, indem er täglich andere, farblich zueinander passende Hemden und Hosenträger wählt: einmal rosa, einmal blau. Alles läuft immer noch ganz ausgezeichnet, zumindest hat er diesen Eindruck, obgleich er sich nicht fragt, ob die Aufnahme, die man ihm bereitet, nicht eher das Spiegelbild des Triumphgefühles ist, das ihn seit vier Monaten erfüllt. Es ist ein solches Gefühl, daß es ihn ein bißchen übermütig macht, er wird immer nachlässiger in seiner ohnedies schon flüchtigen Art, das Klavier zu traktieren. Er denkt, das bemerke man nicht, außerdem denkt er nicht darüber nach. Aber man bemerkt es. Er weiß das nicht. Und wenn er es wüßte, es wäre ihm egal.“

Echenoz setzt das alles sprachlich meisterlich in Szene, es kommt Stimmung auf. Nach der Tournee geht es zurück nach Frankreich, auf Land, Ravel komponiert den Bolero, er ist auf dem Gipfel seines Ruhmes und Erfolges in dem er sich noch ein paar Jahre sonnen kann, doch der Leser wird Zeuge seiner letzten Jahre, seiner Schlaflosigkeit und dann seiner Hirnerkrankung bis zu seinem Tod.

Die letzten zehn Jahre Ravels, verdichtet auf 110 Seiten in diesem feinen, kunstvollen Roman.



Jean Echenoz: Ravel
Roman
Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel
© 2007 Berlin Verlag GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Nina Rothfos und Patrik Gabler, Hamburg unter Verwendung einer Postkarte von Maurice Ravel