Dienstag, 18. Februar 2014

Toni Morrison: Liebe


Wie kann man nur einen Roman Liebe nennen?! Tatsächlich, selbst das Original aus dem Jahre 2004 heißt so.  Toni Morrison, Toni Morrison? Ah ja, Nobelpreis für Literatur 1993. Da weiß man ja nie so recht, ob es was taugt und warum da der Nobelpreis vergeben wurde.  6,95 € auf dem Wühltisch, Originalverpackt? Rowohlt Verlag? Okay, das Risiko ist überschaubar und du wolltest ja schon lange mal, wenigstens von jedem Literaturnobelpreisträger ein Buch gelesen haben.

„In einem vielfältigen, fast ein Jahrhundert umspannenden Geflecht aus Szenen erzählt „LIEBE“ von den Frauen, die von Bill Cosey besessen waren – oder es noch sind:...“ heißt es auf dem Umschlag.

Was für eine unglaublich starke, lebendige und hinreißende Geschichte, fesselnd und auch erschütternd und dennoch alles versöhnend! Fast kann ich nicht glauben, daß das eine zweiundsiebzigjährige Frau geschrieben hat!  Aber vielleicht gelang dieses Buch nur deshalb.  Es sind 280 Seiten und schon der erste Satz macht stutzig und hellhörig. Von dem Moment an wurde mir Tonis Morrison zu einer Erzählerin,  der ich verfallen bin und staunend  ergriffen lauschte.

„...May, Pfarrerstochter und ein bißchen etepetete, ehe sie verrückt wird.
Christine, ihre Tochter, verstoßen in die Arme vieler Männer, doch nach Bills Tod zurückgekehrt in sein Strandhotel.
Heed, mit elf von Cosey zu seiner Frau gemacht und vor allen Gästen übers Knie gelegt, nun mit Christine unter einem Dach, vereint in Hass und Bosheit.
Junior, auf ihren Vorteil bedacht im Streit der Cosey-Frauen um das Erbe und nebenher ein wenig drasstischem Sex nicht abgeneigt.“ (Umschlagtext, 2004)

Morrison erzählt hier aber nicht nur miteinander verwobene „Liebesgeschichten“.  Sie erzählt ihre Figuren und deren Selbstverständnis und Lebensgefühl auch vor  historischem und gesellschaftlichem Hintergrund, mit klarem, klugen Blick und einem tiefen Verstehen und Erkennen.  Es ist auch mit eine Geschichte der Schwarzen in Amerika. Und so wie Morrison in diesem Roman geschrieben hat, sagt der Titel auch etwas darüber aus, wie sie diesen Roman geschrieben hat: Mit Liebe!

„Es braucht eine gewisse Intelligenz, um so zu lieben – leise, ohne Requisiten. Aber die Welt ist laut in ihrer Pracht, sie verführt die Menschen dazu, sich auf einen Wettstreit einzulassen und alles, was sie empfinden, auf eine Bühne zu stellen, nur um zu zeigen, daß sie auch etwas zu bieten haben: schöne Schauermärchen mit tödlichen Duellen, mit Ehebruch, mit brennenden Bettlaken. Natürlich müssen sie scheitern.“ (Morrison, Seite 90)




Toni Morrison: Liebe

Deutsch von Thomas Piltz
© 2004 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Umschlaggestaltung: any.way, Cathrin Günther/Walter Hellmann