Ein Heimatroman? Also die Beschreibungen der norwegischen
Fjordlandschaft, der uralte deutsche Einsiedler, das norwegische kleine Mädchen
mit dem Riesenhund, läßt diese Frage anfangs durchaus aufkommen, allerdings
auch schnell beim Lesen wieder vergessen. Man befindet sich „hoch über dem
Sognefjord, wo 1967 kein Norweger mehr leben möchte, [da] wohnt seit Jahren ein
inzwischen 96-jähriger Deutscher.“ (Klappentext)
Die Geschichte, die Jorgen Norheim, Jahrgang 1952, dann erzählt,
beginnt um das Jahr 1890, auf der Yacht Kaiser Wilhelms II, als der Einsiedler
des Jahres 1967 ein Jugendlicher war und Gast Kaiser Wilhelms II. Der junge Bursche, aus adeligem Hause,
erregte die Aufmerksamkeit und das Wohlgefallen Seiner Majestät und erhielt
schon auf der ersten Nordlandreise den Auftrag, mit an einem Buch zu arbeiten,
welches diese und spätere Reisen Seiner Majestät für das Volk dokumentieren
sollte. Also doch kein Heimatroman,
sondern ein historischer Roman über die gute alte Kaiserzeit?
Gleich auf der ersten Nordlandreise, die unser damals noch
junge Held mitmachen durfte, fing er an Tagebuch zu schreiben. Etwas naiv
klingen dann die Beobachtungen über ein Saufgelage, oder gar eine Orgie (?) des
Kaisers, den besoffenen Minister im Balletttrikot mit Spitzentütü.
Das unser Held aus gutem Hause dann Kariere macht ist ja
wohl klar, vor allem als der Kaiser anfing, sein Land hochzurüsten. Aus dem
jungen Burschen wird einer der maßgeblichen Offiziere der kaiserlichen Arme. Und als das Kaiserreich dann besiegt, und der
Kaiser auf der Flucht war und ins Exil ging, wurde er der Adjutant seiner
Majestät.
Nachdem der Kaiser tot war, 1941, natürlich nicht, ohne selbst
für den Kaiser das Tütüt angezogen zu haben, zog sich unser Held dorthin
zurück, wo für ihn alles begonnen hatte in das von Nazis besetzte Norwegen und
mietete eine verlassene Hofstelle, fern ab von Menschen, und dachte Jahrelang
über seine Schuld nach. Bis dann 1957 Heidi, oh nein, Entschuldigung, das
norwegische Mädchen auftauchte. Zu dem
Vater des Kindes entwickelt sich dann über Jahre hinweg eine Freundschaft.
Dieser Roman ist für mich eine faszinierende und fesselnde
Lektüre gewesen. Unter normalen Umständen hätte ich mich nicht mit dem
ausgelutschten Thema Kaiser Wilhelm II und Erster Weltkrieg beschäftigt. Jorgen
Nordheim aber ist es gelungen, völlig unsentimental, eine spannende Geschichte
zu erzählen, voller menschlicher Höhen und Tiefen. Und was ist mit Heidi? Also
das anfänglich junge norwegische Mädchen mit dem großen Hund? Tja, Jungs und
Mädels, das möchte ich hier nicht verraten, sondern überlasse ich dem Autor auf
den letzten Seiten.
Jorgen Norheim: Der Adjutant
Aus dem Norwegischen von Frank Zuber
© Osburg Verlag 2010
Umschlaggestaltung: TOREROS.werbeagentur
Grundkonzeption: sans serif, Berlin
Titelillustration: Jesper Egemar Design
Bild Adjutant: INTERFOTO/Sammlung Rauch