Samstag, 9. März 2013

Jorgen Norheim: Der Adjutant


Ein Heimatroman? Also die Beschreibungen der norwegischen Fjordlandschaft, der uralte deutsche Einsiedler, das norwegische kleine Mädchen mit dem Riesenhund, läßt diese Frage anfangs durchaus aufkommen, allerdings auch schnell beim Lesen wieder vergessen. Man befindet sich „hoch über dem Sognefjord, wo 1967 kein Norweger mehr leben möchte, [da] wohnt seit Jahren ein inzwischen 96-jähriger Deutscher.“ (Klappentext)

Die Geschichte, die Jorgen Norheim, Jahrgang 1952, dann erzählt, beginnt um das Jahr 1890, auf der Yacht Kaiser Wilhelms II, als der Einsiedler des Jahres 1967 ein Jugendlicher war und Gast Kaiser Wilhelms II.  Der junge Bursche, aus adeligem Hause, erregte die Aufmerksamkeit und das Wohlgefallen Seiner Majestät und erhielt schon auf der ersten Nordlandreise den Auftrag, mit an einem Buch zu arbeiten, welches diese und spätere Reisen Seiner Majestät für das Volk dokumentieren sollte.  Also doch kein Heimatroman, sondern ein historischer Roman über die gute alte Kaiserzeit?

Gleich auf der ersten Nordlandreise, die unser damals noch junge Held mitmachen durfte, fing er an Tagebuch zu schreiben. Etwas naiv klingen dann die Beobachtungen über ein Saufgelage, oder gar eine Orgie (?) des Kaisers, den besoffenen Minister im Balletttrikot mit Spitzentütü.  

Das unser Held aus gutem Hause dann Kariere macht ist ja wohl klar, vor allem als der Kaiser anfing, sein Land hochzurüsten. Aus dem jungen Burschen wird einer der maßgeblichen Offiziere der kaiserlichen Arme.  Und als das Kaiserreich dann besiegt, und der Kaiser auf der Flucht war und ins Exil ging, wurde er der Adjutant seiner Majestät.

Nachdem der Kaiser tot war, 1941, natürlich nicht, ohne selbst für den Kaiser das Tütüt angezogen zu haben, zog sich unser Held dorthin zurück, wo für ihn alles begonnen hatte in das von Nazis besetzte Norwegen und mietete eine verlassene Hofstelle, fern ab von Menschen, und dachte Jahrelang über seine Schuld nach. Bis dann 1957 Heidi, oh nein, Entschuldigung, das norwegische Mädchen auftauchte.  Zu dem Vater des Kindes entwickelt sich dann über Jahre hinweg eine Freundschaft.

Dieser Roman ist für mich eine faszinierende und fesselnde Lektüre gewesen. Unter normalen Umständen hätte ich mich nicht mit dem ausgelutschten Thema Kaiser Wilhelm II und Erster Weltkrieg beschäftigt. Jorgen Nordheim aber ist es gelungen, völlig unsentimental, eine spannende Geschichte zu erzählen, voller menschlicher Höhen und Tiefen. Und was ist mit Heidi? Also das anfänglich junge norwegische Mädchen mit dem großen Hund? Tja, Jungs und Mädels, das möchte ich hier nicht verraten, sondern überlasse ich dem Autor auf den letzten Seiten.



Jorgen Norheim: Der Adjutant

Aus dem Norwegischen von Frank Zuber
© Osburg Verlag 2010
Umschlaggestaltung: TOREROS.werbeagentur
Grundkonzeption: sans serif, Berlin
Titelillustration: Jesper Egemar Design
Bild Adjutant: INTERFOTO/Sammlung Rauch