Dienstag, 19. November 2013

Antoine de Saint-Exupéry: Wind, Sand und Sterne


Von allen Büchern, die ich in den letzten drei Jahren gelesen habe, war und ist dieses das Seltsamste, das Ungewohnteste, das Fremdartigste und es gab kein Anderes, welches ich damit vergleichen könnte. Pathos und Ethos klingen wie von einem anderen Stern.

Wäre es nicht Antoine de Saint-Exupéry, der hier einige Abschnitte aus seinem Leben berichtet, ein paar Ansichten über die Welt von sich gibt, vom Menschsein und von Menschlichkeit, so wie er es versteht und sieht, kein Schwein würde ein solches Buch heute drucken und ich glaube, nicht einmal schreiben und wahrscheinlich dürften sich die meisten unbedarften heutigen Leser fragen, wovon schreibt er da eigentlich. Krasser, so habe ich den Eindruck, könnte die Vorstellung und Darstellung der Welt und des Menschen nicht zu dem sein,  wie die Welt und der Mensch heute ist.

Geschrieben hat er dieses Buch 1937.  Für ihn gab es nur zwei Dinge, die ihm wichtig waren: Die Fliegerei und das Schreiben und beides verstand er als Dienst am Menschen.

1935  stürzte er über der ägyptischen Wüste ab, worüber er in diesem Buch auch berichtet. Es gibt neun Kapitel, wie: Die Kameraden, in dem sich eine Kameradschaft und Kollegialität zeigt, die es in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr geben dürfte; Die Naturgewalten, die er ehrfurchtsvoll schildert; die heute zu erleben auch kaum noch möglich ist;  Das Flugzeug und der Planet; Die Wüste; Der Durst; Die Menschen.

„Du fühlst dich nicht als Bewohner eines Sterns, der durch den Weltraum irrt, du stellst keine Fragen, auf die du keine Antwort bekommst; nein, du bist ein kleiner Bürger von Toulouse. Als noch Zeit war, hat keiner dich mitzureißen versucht; nun ist der Lehm, aus dem du gemacht bist, eingetrocknet und hart, das verborgene göttliche Spiel in dir wird nie zum Klingen erwachen; Tot ist der Dichter, der Musiker, der Sternenforscher, die vielleicht auch in dir einst gewohnt haben.“ (Zitat, Seite 22)

Ich frage mich, was und wie er wohl heute schreiben würde, wenn er uns und unsere Welt heute beschreiben müßte?!



Antoine de Saint-Exupéry : Wind, Sand und Sterne

Ins Deutsche übertragen von Henrik Becker
© 1939 und 1999 by Karl Rauch Verlag KG Düsseldorf

Montag, 18. November 2013

Johannes Zeilinger: Auf brüchigem Eis


Was ist Wahrheit? – Okay, bei diesem Buch genauer gefragt: Was ist die Wahrheit? Natürlich weiß das auch Johannes Zeilinger nicht, der dieses Buch geschrieben hat, dem er eine mögliche Antwort von Karl Kraus zu diesem Thema angefügt hat. Und diese Antwort von Karl Kraus auf die Frage, wer den nun den Nordpol entdeckt hat ist: Die Dummheit! (Karl Kraus, Die Fackel, Nr. 287, XI Jahr, 16. September 1909)

Jedenfalls sind 1909 zwei Amerikaner, zwei Kontrahenten irgendwo im nordischen Eis gewesen. 2009, Hundert Jahre später, veröffentlicht Johannes Zeilinger, Jahrgang 1948, seines Zeichens Mediziner, Chirurg (Woher nimmt der die Zeit, ein so spannendes und unterhaltendes Buch zu schreiben?) ein Buch über die Eroberung des Nordpols!  

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches war er Vorsitzender der Karl May-Gesellschaft, Ausstellungskurator und bereits Verfasser mehrerer Bücher und Beiträge zur Karl May-Forschung und der Geschichte Zyperns, sowie einer Biographie der Schauspielerin Lya de Putti, 

Ich persönlich frage mich ja bei jedem Buch, ob mich der Autor verscheißern will und wenn ich das recht in Erinnerung habe, so war Karl May diesbezüglich nicht ganz ohne. Was ich aber glaube ist, daß Zeilinger bei der Recherche ausgesprochen gewissenhaft vorgegangen ist, mit größtem Sachverstand und Wissen schildert, was vor einhundert Jahren da so abging. Was er zu schreiben wußte, ging runter wie Öl bei mir, obwohl mir der Nordpol bislang scheißegal war.  Er ist mir immer noch egal, aber nun weiß ich vielleicht so in etwa, wie das damals gewesen sein könnte.

Sollte Zeilinger den Eindruck vermitteln, Frederick Cook war der erste Mann am Nordpol, bedenke man gewisse Sympathien, die Zeilinger für Cook hegen dürfte, so von Kollege zu Kollege.  Frederick Cook, einer der amerikanischen Polarforscher, der behauptet 1909 den Nordpol erreicht zu haben, war ebenfalls Mediziner. Und bei weitem der Nettere. Robert Peary, ein Ingenieur in der amerikanischen Armee, alles andere als ein Scharmbolzen, erreichte auch 1909, im Alter von 55 Jahren und mit nur zwei Zehen, die restlichen acht hatte er schon Jahre vorher irgendwo im Eis verloren, nach eigenen Angaben den Nordpol, wozu dann Karl Kraus, ebenfalls 1909, seine Glosse in seiner Zeitschrift schrieb.

Ach ja: Beide haben keine Beweise! Und die Kontroverse besteht bis heute und dürfte wohl niemals geklärt werden können. Insofern ist das was Zeilinger mit diesem Buch über die Hintergründe, die Persönlichkeiten und der damalige Zeitgeist das eigentliche Faszinosum.  (War jetzt eigentlich wirklich schon jemand auf dem Mond? Irgendwie haben die Amerikaner ja scheinbar Erfahrung mit Stoff, für Verschwörungstheorien?)

„Die Worte Wissenschaft und Forschung, einst noble Motive für die Welterkundung, waren dabei längst vergessen, und auch der Tarnmantel einer patriotischen Tat verbarg nur unzureichend den wahren Kern des Kampfes um den Nordpol, den grenzenlosen Ehrgeiz, die unstillbare  Sucht nach persönlichem Ruhm und Erfolg, die unstillbare Sucht nach persönlichem Ruhm und Erfolg.“ (Seite 57)


Johannes Zeilinger: Auf brüchigem Eis

© 2009 MSB Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft mbH
(Für die Pingeligen unter den Leseratten: Die erste Auflage bietet jede Menge Druck- und Satzfehler!)