Mittwoch, 24. April 2013

Notker Wolf: Worauf warten wir?


Grundsätzlich möchte ich vorausschicken: Ich habe so meine Probleme mit Pfaffenröcken, die anfangen sich politisch oder gesellschaftskritisch  zu äußern. Ich gehöre zu denen, die froh sind, in einem säkularisierten Staat zu leben.  

 Hinzukommt, daß ich einige Partys mitgemacht habe, auf denen kirchliche Würdenträger, Mönche und deren Äbte aus den unterschiedlichsten Orden, Ehrengäste waren und Lobeshymnen auf die wohlhabenden Gastgeber sangen.  Die Betonung liegt auf wohlhabende Gastgeber, meistens Industrielle und Unternehmer, die sich diesen Lobgesang gerne etwas kosten ließen.  Und darin drückt sich für mich heute auch noch deutlich aus, wie sehr kirchliche Würdenträger mit den weltlichen Machthabern verbandelt sind und durchaus Einfluß haben.  Das ist natürlich nur eine erste und subjektive Sichtweise von mir, eher eben ein Gefühl.

Vielleicht habe ich deshalb diesen Buch fünf Jahre in meinem Regal stehen gehabt, ohne es lesen zu wollen.  Außerdem fände ich ketzerische Gedanken zur katholischen Kirche weitaus interessanter.

Nun ist Notker Wolf kein gewöhnlicher Pfaffe, er ist Abtprimas der Benediktiner und studierte nicht nur Theologie, sondern auch Philosophie und irgend etwas aus dem Bereich Naturwissenschaft.  Ich bleibe allerdings dabei, daß auch ihm keine direkte Kritik zusteht solange er ein kirchliches Gewand trägt.

Wahrscheinlich hat er so etwas geahnt, denn seine ketzerischen Gedanken zu Deutschland, wie sie in diesem Buch vorgelegt werden, sind gar keine ketzerischen Gedanken zu Deutschland. Natürlich verkaufte sich das Buch so besser.

Im Wesentlichen schreibt Wolf über sich, seine Arbeit, über die Benediktiner. Er schreibt dann weiter über seinen kooperativen Führungsstil und wie die Benediktiner ihren Laden organisieren und im Griff haben.  Am Beispiel der Errichtung eines Krankenhauses in China, von der Planung bis zur Umsetzung, den Problemen mit den Chinesen und dem chinesischen System berichtet Wolf, wie dieses Projekt nach langen Jahren erfolgreich umgesetzt werden konnte.

Also noch mal: Dieses Buch ist keine Kritik und ketzerisch sind seine Gedanken zur allgemeinen Arbeitsmoral und gesellschaftlichem Verhalten auch nicht. Klar kommt  auch schon mal der erhobene Zeigefinger des Pfaffen durch, wenn es um die Managergehälter geht oder sogar um das was Popstars so verdienen.  Er schimpf auch schon mal über die Politik: „Dem Volk die Wahrheit unter allen Umständen vorenthalten und ihm das Maul mit Liebesperlen stopfen, um wiedergewählt zu werden, das gehört mittlerweile zur Geschäftsgrundlage der deutschen Politik.“ (Wolf, Seite 90)

Man wird eine Menge solcher Aussagen finden und der brave Leser wird von Herzen zustimmen und konstatieren können, besser als diese Schmarotzer, Drückeberger oder sonst was,  zu sein.

Natürlich habe ich dieses Buch dann doch durchaus interessant gefunden, aber mir bleibt ein bitter Nachgeschmack, der weniger mit dem Buch zu tun hat, als vielmehr mit dieser Gesellschaft. Ob nun Chinesisch, oder Deutsch, oder Katholisch.



Notker Wolf: Worauf warten wir?

Rowohlt Taschenbuchverlag
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(Foto: Notker Wolf OSB)