Nur der Ordnung
halber: 1839 war Josiah Harlan, ein Ex-Quäker aus Chester Country,
Pennsylvania, gerade mal vierzig Jahre alt, de jure durchaus zu einem König
erklärt; aber so richtig, mit Krönung, Krone und Palast, ist dann doch nichts
draus geworden, obwohl er verdammt na dran war, bevor er wieder in Amerika mit
zweiundsechzig Jahren versuchte, Weintrauben aus Afghanistan zu verscherbeln,
was ihm auch nicht gelang.
Josiah Harlan war
ein Glücksritter, ein Abenteurer, einer von mehreren Europäern, die sich vor rund
zweihundert Jahren in den Reichen des fernen Ostens durchschlugen und ihre
Dienste dem jeweils meistbietenden König, Maharadscha oder Fürsten anboten. Und
nebenbei waren sie Spione des britischen Königreiches, der damaligen führenden
imperialistischen Großmacht. Das alles
macht seine Lebensgeschichte natürlich überaus interessant und lesenswert, die
der heutige Journalist Ben Macintyre eindrucksvoll in diesem Buch, 2005
erschienen, erzählt.
Harlan hat über
sein Leben umfangreiche Aufzeichnungen hinterlassen und war auch für Rudyard
Kiplings Roman, Der Mann der König sein wollte, Anfang des 20. Jahrhunderts die
Vorlage, aus der John Husten dann 1975 einen Film mit Sean Connery und Michael
Caine mit gleichem Titel machte.
Was waren das für
Zeiten, als man als enttäuschter und frustrierter Außenseiter noch losziehen, sich
bei der Arme als Chirurg und Arzt verdingen, ohne Ausbildung und so richtig
fett auf die Kacke hauen konnte um mitzuspielen, in diesem Großen Spiel um
Macht und Ansehen, welches heute ja immer noch gespielt wird. Ich schätze mal,
vergleichbare Abenteurer, Glücksritter, Egomanen und sonstwie vermeintlich
gescheiterte Existenzen haben immer Konjunktur und wie vor zweihundert Jahren
schachern ja auch heute noch sogenannte Großmächte um Länder wie Afghanistan
und andere Gebiete. So deckt dieses
Buch auch interessante Parallelen zur heutigen Zeit auf, was mich persönlich
immer wieder entsetzt und zu dem Schluß kommen läßt, daß sich nicht viel
verändert und der Mensch nichts dazulernt, was aus ihm einen hilfreichen und
guten Menschen machen würde.
Als Harlan die
Bühne der damaligen Welt betrat, hatte Afghanistan eine rund dreihundert Jahre
lange glanzvolle Geschichte als Großmacht hinter sich, um deren Trümmer sich
nun die degenerierten Erben, die britische Weltmacht, bedroht vom russischen
Zarenreich prügelten und Europa verdaute gerade noch Napoleon. Spannend also. Einer von Harlans
Gegenspielern war auch ein General aus Napoleons Diensten, der sich auf den
Subkontinent abgeseilt hatte und die Arme eines indischen Maharadschas
befehligte. Der General hatte übrigens zum Ende hin mehr Glück als Harlan und
setzte sich dann, reich und in Ehren, im Alter in Neapel zur Ruhe und mußte
nicht versuchen, Weintrauben zu verkaufen wie Harlan dann in Amerika. Glück
hatte aber Harlan dennoch. Einer seiner anderen Gegenspieler, ein Engländer,
ein Deserteur der englischen Kolonialarme, machte ebenfalls Karriere als
Berater eines mächtigen Stammesfürsten, wurde dann aber in Kabul von der
Bevölkerung bestialisch in Stücke gerissen und dann erst getötet.
Nase, Ohren, Füße,
Hoden abschneiden, sind damals noch die harmlosesten Folgen von Fehlern gewesen
mit denen man rechnen mußte, wenn man für einen dortigen Fürsten arbeitete.
Solche fühlbaren Maßnahmen hatten bei damaligen Politikern zumindest aber
durchaus Erfolge. Mit ohne Nase, oder ohne Ohren, oder ohne Hand erfüllte man
immer noch seine Pflichten.
Was ich noch sehr
interessant fand, waren die Beschreibungen über die Spionagetätigkeit dieser
Europäer, die für die englische Krone arbeiteten. Das erinnerte mich verdammt
an die Berichte über die CIA noch im ausgehenden 20. Jahrhundert.
Alles in allem ein
überaus lehrreiches, spannendes und unterhaltendes Geschichtsbuch, wenn denn
der Mensch tatsächlich etwas lernen würde, was ja nicht der Fall war, denn noch
immer prügeln sie sich um Afghanistan.
„Die Britten
hatten jedoch andere Pläne, und Harlans Kenntnisse blieben ungenutzt. Mit
wachsender Verblüffung und sorge mußte er zusehen, wie das Empire Stück um
Stück nach Kabul verpflanzt wurde. Jahrelang hatte sich Harlan intensiv mit den
afghanischen Bräuchen und Sitten beschäftigt, während sich die Briten nicht im
Geringsten um die lokale Kultur scherten, die sie mißbrauchten, verdrängten
oder ignorierten. Sie spielten Polo und Cricket, hielten Teepartys ab und
inszenierten Laienspiele. Einige holten ihre Frauen, die furchterregenden
britischen Memsahibs, herbei, um besser vortäuschen zu können, daß Afghanistan
wirklich ein Teil Indiens sei. Die schlimmste Unbequemlichkeit der frühen Tage –
sie wurde bald behoben – war ein Mangel an Wein und Zigarren. Die Eroberer
zeichneten sich nun zudem selbst mit Orden und Titeln für den erfolgreichen
Feldzug aus: Auckland erhielt die Grafenwürde, Macnaghten den Titel eines
Barons und Claude Wade die Ritterwürde. ‚Ritterschläge, Ordensbänder und
Beförderungen wurden den Siegern über die elenden Afghanen mit
verschwenderischem Großmut zugeteilt’, bemerkte Harlan mürrisch. Dies seien die
Belohnungen Ihrer Majestät für ‚die Auslöschung einer freien Nation’. (Zitat Seite 297)
Ben Macintyre: Der
Mann, der König war
Aus dem Englischen
von Bernd Rullkötter
© 2005 Rogner & Bernhard GmbH & Co. Verlags
KG, Berlin
Bildnachweis:
Schutzumschlag: obere Abb.: akg-images,
untere Abb.:
akg-images / Paul Almasy