Was für ein
kleines, gerissenes Luder! Dabei ist die Autorin 1959 geboren, was diesen
Gedanken, den ich über sie beim Lesen ihres Romans „Die Frau im Mond“
entwickelte, vielleicht nicht ganz passend macht. Aber ich wiederhole ihn auch am Morgen danach: So ein kleines
gerissenes Luder! Und ich meine das mit allem nötigen Respekt und voller
Bewunderung für die Autorin, denn dieser einhundertsechsunddreißig Seiten dünne
Roman gehört zu den Besten, die ich dieses Jahr gelesen habe. Es gibt noch ein paar andere Beste Romane
die ich in diesem Jahr gelesen habe, aber die waren samt und sonders alle über
vierhundert Seiten dick, und von Männern geschrieben und so erscheint mir Die
Frau im Mond wie ein kleines Wunder, welches zu schaffen wohl eher Frauen in
der Lage sind, denn Männer, die alles haarklein und Seitenlang erzählen wollen.
Erzählt wird die
Geschichte einer „verrückten“ Bauerntochter auf Sardinien, die einfach keinen Ehemann
findet, obwohl sie zunächst zahlreiche Verehrer hat, die aber dann irgendwann
Reißaus nehmen. Also eine klassische
Liebesgeschichte?! Klar, aber was für eine! Die Agus führt uns hier das Leben
dreier Generationen vor, auf diesen einhundertsechsunddreißig Seiten der
deutschen Originalausgabe, daß einem zuweilen der Atem stockt und man überlegen
muß, wo bin ich denn eigentlich gerade und wenn man das wieder weiß, berührt
sie mit einem feinen Nebensatz, einer schlüpfrigen Bemerkung oder einem
zeitlichen Hinweis alles was sie auf außergewöhnliche Weise im Leser vorher
berührt und ausgelöst hat; womit ich eben wieder bei meinem kleinen, gerissenen
Luder wäre.
„Während des
Kuraufenthalts fehlte ihm das Klavier sehr – das heißt, es hatte ihm gefehlt,
bis er Großmutter kennenlernte. Jetzt war es ein wenig wie Klavierspielen, wenn
er sich mit ihr unterhielt, wenn er sah, wie sie lachte oder einen traurigen
Ausdruck annahm oder wie sich ihre Haare beim Gestikulieren lösten, und wenn
sein Blick bewundernd an den zarten Innenseiten ihrer Handgelenke hängen blieb,
die einen solchen Kontrast zu den rissigen Händen bildeten. Von jenem Tag an
waren Großmutter und der Reduce unzertrennlich, es sei denn, einer von beiden mußte
schweren Herzens Pipi machen gehen. Sie kümmerten sich nicht um das Gerede der
Leute, er, weil er aus dem Norden des Landes kam, und Großmutter auch nicht,
obwohl sie eine Sardin war.“ (Zitat Seite 36)
Dieser Roman
erschien 2007 in Deutschland und der Verlag kam offensichtlich mit dem Drucken
nach. Im Jahr seines Erscheinens wurden mindestens sechs Auflagen gedruckt!
Noch ein kleiner
Tipp: Suchen Sie sich ein ruhiges Plätzchen: Fernseher aus, Radio aus, Handy
aus und verrammeln sie die Tür vor der Welt und dann lesen Sie diesen Roman in
einem durch. Das dauert nur zwei, oder drei Stunden.
Milena Agus: Die
Frau im Mond
Aus dem
Italienischen von Monika Köpfer
© 2007 Hoffmann
und Campe Verlag, Hamburg
Umschlag:
Steigenberger Graphikdesign, München
Foto: Johannes
Kroemer / Getty Images