Samstag, 2. Juni 2012

Heinrich Mann: Die kleine Stadt


In einer kleinen Stadt, irgendwo in Italien, mit etwas unter einhunderttausend Einwohnern, man ist nicht mehr unter dem Papst, versuchen einige Honoratioren um den Advokaten herum, das Ansehen der Stadt aufzuwerten und so erwartet man nun die Komödianten, die eine Oper im fürstlichen Theater aufführen sollen. Was dann mit der verspäteten Post eintrifft reicht vom alten und verblaßten Startenor, über die Diva, den schönen Tenor, bis zur gelben Choristin; und von dem Moment an, als die erste Gruppe auf der Piazza in Cafe Fortschritt ankommt, ist alles, aber auch wirklich alles außer Rand und Band und auf den Beinen und der Pfaffe verprügelt die kleinen Jungs, weil sie zotige Bemerkungen machen.

Der Advokat verliebt sich in die Diva und wird erhört, nachdem er glaubt der Baron sei bei ihr gelegen, was nicht stimmt, der war bei der Frau des Wirtes, der schöne junge Tenor verliebt sich in Alba, die ihn erst nach der Premiere erhört obwohl sie eigentlich dem Kloster versprochen war und er deshalb vorher bei der Frau des Apothekers lag und so geht es rund zweihundert Seiten weiter, daß man zuweilen mit all den Namen und wer mit wem, durcheinandergerät.

Die Premiere nun war der Hammer. Man glaubt es nicht, was in so einem italienischen Theater alles abging um 1909. Inzwischen hatten sich die Liebespaare schon dreimal verändert, der Pfaffe tickt im Dreieck, die Jugend traut ihren Augen nicht und hat ebenfalls ihren Spaß bei all diesen Eitelkeiten und Verliebtheiten und hängt in der Galerie mit ihren großen Hüten und bunten Schales ab, während sich der Konditor darüber ausläßt, daß er sechs Karten gekauft habe, aber keine Loge bekommen hätte, wiewohl doch eine frei geblieben sei.

Die sozialen und politischen Umtriebe dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden, ja es kommt zu Auseinandersetzungen und Prügeleien, ausgelöst um die priesterliche Oberhoheit über den Eimer.

Übrigens sagte Heinrich Mann selbst, daß dieser frühe Roman von ihm, sein Lieblingsroman sei. Für den modernen Leser dürfte das allerdings nichts mehr sein und ihn überfordern.