Samstag, 12. Juli 2014

A.L. Kennedy: Das Blaue Buch


dtv wirb gerade für die Taschenbuchausgabe mit markigen Worten. Dem will ich dann doch ein bißchen was entgegenhalten:

Eigentlich hätte mir dieser Roman gefallen müssen. Stil und Sprache sind anarchisch, kraftvoll und lebendig und provozierend. Da fliegen teilweise die Fetzen.

„Ich kann die Scheißheilige Scheißschrift zitieren wie eine Scheißnonne, wenn ich muß.“ (A.L. Kennedy, Das blaue Buch, Seite 244).

Dramaturgisch, mit Vor- und Rückblende, ist er auch durchaus gelungen zu nennen. Dennoch war es mühsam diesen Roman zu lesen, denn es fehlt ihm etwas ganz Entscheidendes: Die Story, die Handlung!



Erzählt wird die Geschichte von Elisabeth, mittleren Alters, die mit ihrem Freund Derek eine Schiffsreise macht, bei der Arthur auftaucht. Mit Arthur war Elisabeth früher zusammen, ein Paar, und sie haben auch zusammen gearbeitet. Recht erfolgreich gaben sie vor, Kontakt zu Verstorbenen zu haben. Wie sich Elisabeth und Arthur durch einen Zahlencode verständigten wird lang und breit, seitenlang und immer wieder, erklärt. (Das heißt aber nicht, daß man den Trick versteht). Jedenfalls ficken die beiden auf dieser Seereise wieder miteinander, während Derek kotzt und nicht mehr dazu kommt, Elisabeth einen Heiratsantrag zu machen, weil er Seekrank ist und Elisabeth ihm nicht die entsprechende Medizin verabreicht, sondern ein unwirksames Mittel, damit sie freie Bahn mit Arthur hat, dem sie nun endlich Das blaue Buch geben wird, das sie über Jahre hinweg geschrieben hat, um ihr Gewissen zu erleichtern.

(Falls jemand das Buch liest, möge er sich hüten, die letzten Seiten zuerst, oder zu früh, oder gar Rezensionen zu lesen, die das einzige Geheimnis des Buches vorab verraten.)

Dieser Story fehlt es einfach an interessanten Personen und Entwicklungen, denn die Autorin ist viel zu sehr damit beschäftigt alle Register ihrer Sprache und ihres Stils zu ziehen, die ja durchaus beeindruckend, aber nicht über 364 Seiten tragfähig sind. Die Hälfte wäre besser gewesen.

Und dann hat dieser Roman, oder die Autorin dieses Romans, noch eine Eigenheit, die mir in letzter Zeit immer häufiger begegnet: Einen Zeitgeist, der ganz bestimmte Erfahrungen und Erkenntnisse als richtig oder falsch verkauft und vorgibt. Mir als Leser scheinen solche Vorgaben äußerst fragwürdig zu sein.

A.L. Kennedy: Das blaue Buch
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
© Carl Hanser Verlag 2012