Donnerstag, 19. Juli 2012

Francis Scott Fitzgerald: Der große Gatsby

Alt ist er ja nicht gerade geworden. Weder Jay Gatsby, der Held in diesem Roman, noch Francis Scott Fitzgerald der Autor, der 1896 irgendwo in Minnesota geboren wurde und der 1940, also mit 44 Jahren, in Hollywood starb. Dieser Roman erschien 1925. Ich weiß nicht woher ich es habe, aber es hieß, Bratt Pitt arbeite an einer Neuverfilmung dieses Romans. Meine Bilder im Kopf sind natürlich noch geprägt von der Verfilmung mit Robert Redford, auch wenn diese nur schwach sind. Irgendwie war ich jedenfalls auf diesen Roman gespannt und wie der Verlag verkündet, lieferte Reinhard Kaiser nun eine glanzvolle neue Übersetzung dieses, mit zu den größten und meistgelesenen Klassikern der amerikanischen Literatur zählenden Werkes.

Das Lesen hat sich für mich gelohnt. Von Anfang an fesselte mich der gediegene und solide, ruhige Erzählfluß, die detaillierten Beschreibungen der Orte und der Personen, der Stimmungen. Nichts schwülstiges, nichts aufgesetztes und der Icherzähler mit so manchem entlarvenden Gedankengang angesichts von aufgesetzter Eleganz und Prunk und all zu menschlicher Scheinheiligkeit bewegt sich scheinbar unberührt von der Dramatik und Tragik, wird zu einem mitfühlenden Begleiter. Man ist mittendrin.

Zitat:
„Ich bin Gatsby“, sagte er plötzlich.
„Sie!“, rief ich. „O, verzeihen Sie bitte.“
„Ich dachte, Sie wüßten Bescheid, alter Junge. Ich fürchte, ich bin keine besonders guter Gastgeber.“
Er lächelte verständnisvoll – und mehr, viel mehr als das. Sein Lächeln hatte etwas, das einen auf ewig zu beruhigen vermochte, ein Lächeln, wie man ihm vielleicht vier- oder fünfmal im Leben begegnet. Für kurze Zeit richtete es sich an die ganze Welt oder schien sich an sie zu richten, und dann konzentrierte es sich mit unwiderstehlicher Voreingenommenheit ganz auf einen selbst. Es verstand einen genau bis zu dem Punkt, bis zu dem man verstanden werden wollte, es glaubte einem, wie man sich selbst gerne geglaubt hätte, und versicherte einem, daß es genau den Eindruck von einem hatte, den man im allerbesten Falle zu vermitteln hoffen konnte. Genau an diesem Punkt erlosch es dann – und ich sah vor mir ein elegantes, junges Raubein, ein oder zwei Jahre über dreißig, dessen gestelzte, förmliche Ausdrucksweise ans Lächerliche grenzte. Schon bevor er sich vorgestellt hatte, war mir aufgefallen, wie sorgsam es seine Worte wählte.“

Und wie mir scheint, wählte Francis Scott Fitzgerald seine Worte in diesem Roman, der eine dramatische und tragische Liebesgeschichte ist, genauso sorgsam! Ein Genuß! Und das machte das Lesen mir zum reinsten Vergnügen.



Francis Scott Fitzgerald: Der große Gatsby

Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser
© 2011 Insel Verlag Berlin

Umschlag: Hermann Michels und Regina Göllner
Umschlagfoto: Axel Kranz